Worte zur Verkehrswende

Wir freuen uns sehr über die umfangreiche Berichterstattung in der BZ und die vielen ergänzenden Seiten zu dem Thema. Auch über die vielen Leserbriefe freuen wir uns. Auch über die, die als Angriff auf die Demonstrierenden gedacht waren – sie liefern reihenweise gute Gründe für die Verkehrswende, stärken den Demonstrierenden also den Rücken!

Am Samstag den 05. Juni 2021 fand eine Demonstration gegen den Ausbau der A39 und das Gewerbegebiet Scheppau statt. Die Demo sollte eigentlich auf den Autobahnen A2 und A39 stattfinden. Dies wurde jedoch gerichtlich verboten. Wobei die Begründung schlichtweg unglaublich ist.
Unteranderem begründete das Gericht das Verbot damit, dass es durch eine Sperrung der Autobahnen zu Stau kommen könnte, wodurch Lebensgefahr durch Auffahrunfälle entstehen würde. Wenn eine geplante, angekündigte und von der Polizei bewachte Sperrung so gefährlich ist, müssten dann nicht Staus im Allgemeinen verboten werden? Im Prinzip dürfte es dann auch keine Baustellen geben, weil es dadurch ja zu Unfällen kommen könnte… Warum wird nichts gegen Staus unternommen, wenn diese doch so gefährlich sind? Im Durchschnitt stehen Autofahrer:innen fast 2 Tage im Jahr im Stau. Warum gibt es kein Tempolimit auf der Autobahn, damit alle ungefähr gleich schnell fahren, um Stau zu verhindern? Deutschland ist das einzige Land in dem es kein Tempolimit auf Autobahnen gibt!

Außerdem begründete das Gericht das Urteil damit, dass VW durch die Sperrung nicht mehr „Just-in-time“ beliefert werden könne. Unternehmen werden also über die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit am selbstgewählten Ort und über Umweltschäden gestellt. Hallo Kapitalismus!

Aber auch in Leser:innenbriefen durften sich die Demonstrierenden einiges anhören. „Umweltschützer:innen sollen doch bitte freundlich bleiben“. Seit über 50 Jahren wird mit Engelszungen versucht freundlich auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Irgendwann ist keine Freundlichkeit mehr übrig!
Umweltschützer:innen werden als „selbsternannte Gutmenschen“ bezeichnet. Aber niemand der so genannt wird, nennt sich ernsthaft selbst so. Diesen lobenswerten Titel vergeben andere, meist mit schlechtem Gewissen.
Umweltschützer:innen werden als skrupellos dargestellt, weil wir vor das Gericht ziehen, um deren Recht auf Versammlungsfreiheit am selbstgewählten Ort einklagen wollen. Unglaublich, wenn man bedenkt, wie skrupellos und rücksichtslos manch Autofahrer:in unterwegs ist.
Eine „bornierte Minderheit“ seien die Radfahrer:innen, weil sie mehr Platz und Umweltschutz fordern. Dabei ist es doch eher borniert, mit welcher Selbstverständlichkeit Autofahrer:innen ihren Platzbedarf beanspruchen. Ein Parkplatz vor der Haustür, ein Parkplatz bei der Arbeit, ein Parkplatz vor dem Supermarkt, vor dem Baumarkt, in der Innenstadt, etc. pp.

„Radwege sind bei Regen leer“ und bei der Demo waren bei Regen auch weniger Teilnehmende – stimmt! Aber sollen wir deshalb auch bei Sonnenschein mit dem Auto fahren? Wir brauchen eine Verkehrswende, damit wir bei jedem Wetter umweltfreundlich mobil sein können.

„Radfahrer:innen gehören auf den Radweg“ … ja gern, wenn es denn welche gibt. Radwege in der Stadt sind oft zu schmal und auf dem Land gibt es kaum Radwege. Ist also ein Grund für eine Verkehrswende!

„Die Fahrräder kommen über die Autobahn, mit dem Lkw zu den Demonstrierenden“ … na das ist mir ja ganz neu! Lkws fahren auf der Autobahn? Ganz schön viele, oder? Na dann müssen wir mehr Autobahnen bauen … oder vielleicht eine Verkehrswende einleiten?

Ein Argument hat mir noch gefehlt: „Arbeitsplätze“ die am Auto hängen … es gibt so viele Bereiche, in denen Arbeitskräfte gesucht werden. Um das Sonnenstrom-Potential (PV-Anlagen) in der Region BS bis 2035 auszuschöpfen, werden allein 9.000 Installateure gebraucht. Dazu kommen noch Bürokräfte, moderne Logistik, Hersteller und noch andere Bereiche wie Heizung und, und, und … an Arbeit mangelt es nicht, wenn wir Klimaschutz ernst nehmen!

„Viele kommen nur mit dem Auto zur Arbeit“, wurde geschrieben. Besonders ärgerlich, wenn die Autobahn dann wegen einer Demo gesperrt ist oder Autobahnen dann nicht weiter ausgebaut werden. Noch ein Grund, warum wir eine Verkehrswende brauchen! Niemand sollte auf ein Auto angewiesen sein.

Nicht die Demonstrierenden schränken die Freiheit ein, sondern die Klimakrise! Aber es war schon immer so und wird wohl immer so bleiben, dass der Überbringer der schlechten Botschaft geköpft wird.

Es gibt soooo viele tolle Ideen für flexible, bezahlbare und umweltfreundliche Mobilität – auf geht’s!