Der Hambacher Forst: Ein Symbol für den Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit. Wie geht es weiter?

Die Geschehnisse rund um den Hambacher Wald aus diesem Sommer liefen in den Medien rauf und runter. Inzwischen ist der Wald zum Symbol des Widerstands gegen Braunkohle und dem Wunsch nach einer effektiven Klimapolitik geworden. Doch was wurde erreicht?

 

In diesem Beitrag erfährst du:

  • Wie steht es aktuell um den Wald und wie geht es weiter?
  • Sind bei einem Kohleausstieg tatsächlich hunderttausende Jobs und die Versorgungssicherheit gefährdet?
  • Mit welchen Aktionen kann jede(r) von uns mithelfen. 

 

Hinter uns liegt ein extremes Jahr: Der Dürresommer in Deutschland und Europa; extreme Waldbrände in Schweden, Griechenland und Kalifornien; Überschwemmungen in Japan, China, Indien, Mallorca, Magoula, Illinois, Ankara, Israel, Russland, Deutschland u.v.m. und der Kampf um immer knapper werdende Ressourcen – der Klimawandel ist inzwischen in der ganzen Welt zu spüren, doch die Politik hält weiterhin am bisherigen Kurs fest.

Deutschland hält sich nicht an das Klimaabkommen von Paris

Am 12. Dezember 2015 wurde auf der UN-Klimakonferenz in Paris das „Übereinkommen von Paris“ verabschiedet, welches die Begrenzung der menschengemachten globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C vorsieht. Mit dem Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft also für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas entschieden. Denn nur so kann die Erderhitzung begrenzt und die Folgen für Mensch und Umwelt möglichst gering gehalten werden.
Doch anstatt das Abkommen ernst zu nehmen und mit dem Kohleausstieg zu beginnen, setzt Deutschland weiterhin auf Braunkohle und plant obendrein noch den Ausbau der Kohlereviere durch den Energiekonzern RWE.
Vorgesehen ist, dass RWE weitere Teile des Hambacher Forsts abholzt um noch mehr Platz für den größten Braunkohletagebau Mittel-Europas zu schaffen. Von dem einst 4000 Hektar großen Urwald sollen die letzten 100 Hektar also auch noch fallen. Noch dazu sollen Bewohner enteignet und Dörfer abgerissen werden. Und wozu? Um dem Konzern RWE noch einmal große Profite zu bescheren.
Doch seit vielen Jahren wehren sich Menschen gegen diese profitgetriebene Zerstörung und besetzen den Wald. Bei der Auseinandersetzung geht es nicht „nur“ um 12.000 Jahre alte Bäume, sondern auch um die Frage, ob wir es einem perfiden Wirtschaftssystem weiterhin gestatten unsere Lebensgrundlage zu zerstören.

Braunkohle sorgt für Klimawandel

Das Rheinische Braunkohlerevier stößt ein Drittel des deutschen CO2 aus. Diese Emissionen verursachen, dass sich das Klima weltweit verändert, Wetterextreme zunehmen und Lebensräume von Menschen und anderen Tieren zerstört werden.
Den ganzen Sommer über haben sich immer wieder verschiedene Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen zusammengetan um gemeinsam gegen die Rodung und Räumung des Hambacher Forsts zu intervenieren. RWE und das Land Nordrhein-Westfalen hingegen versuchten den Wald mit massiven Polizeieinsatz zu räumen, da die Aktivistinnen und Aktivisten im Wald das letzte Hindernis für die Rodungsmaschinerie sind.

Rodung des Hambacher Waldes vorerst gestoppt

Nach mehreren Großdemos im Hambacher Wald und der ganzen Republik, hat das Gericht in Münster vorerst beschlossen die Rodung zu stoppen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Eilbeschluss vom 5. Oktober 2018 entschieden, dass RWE den Hambacher Forst nicht roden darf, bis über die Klage des BUND NRW gegen den Hauptbetriebsplan 2018 bis 2020 für den Braunkohletagebau Hambach entschieden ist.
Um ihre Solidarität mit den Aktivisten auszudrücken und den ersten Etappensieg zu feiern, kamen am 06. Oktober etwa 50.000 Menschen im Wald zusammen. Sie schaufelten von der Polizei verursachte Gräben wieder zu, renaturierten Parkplätze und begangen den Wald neu zu besetzen. Menschen aus der ganzen Republik fordern den sofortigen Kohleausstieg als nächste Maßnahme auf dem Weg hin zu mehr Klimagerechtigkeit.

Und auch die Wissenschaftler sind sich einig, dass für den deutschen Strombedarf die Braunkohle unter dem Hambacher Wald langfristig nicht mehr gebraucht wird. Auf die Rodung könnte verzichtet werden – wenn es die Politik wollte. Doch RWE behauptet hingegen, dass die Rodung des umstrittenen Hambacher Forstes notwendig sei, damit die Kraftwerke die Stromproduktion zeitnah aufrechterhalten können. Berechnungen haben jedoch ergeben, dass der Nachschub für die Kraftwerke noch für über drei Jahre gesichert ist.

Aktivisten sind zum Feindbild der Braunkohle-Kumpel geworden

Aus Angst den Job zu verlieren, demonstrierten am 24.10.18 mehr als 15.000 Menschen (überwiegend RWE-Mitarbeiter) in Bergheim und Elsdorf gegen den (schnellen) Ausstieg aus der Braunkohle. Öffentlichkeitswirksam charterte RWE gemeinsam mit ver.di und IG BCE Busse, um tausende Mitarbeiter sowie deren Angehörige und Freunde in den frühen Morgenstunden zum Versammlungsort zu transportieren. Selbst Bewohner umliegender Ortschaften wurden eingeladen, den kostenfreien Bustransfer zu nutzen und die RWE-Mitarbeiter zu unterstützen. Ihre Strategie hatte Erfolg – in den Medien wurde umfangreich von den Sorgen der RWE-Beschäftigten berichtet.

Weitere Demonstranten zogen zum Haus der Kohlekritikerin Antje Grothus und machten ihrem Unmut mit Trillerpfeifen, Trommeln und den Parolen „Hambi weg, Hambi weg“ und „Grothus raus“ Luft. Sie verwiesen darauf, dass anderswo in der Welt noch mehr Kohlekraftwerke gebaut werden und überdies der Betrieb von Flugzeugen und Kreuzfahrtschiffen auch zum Klimawandel beitrage. Die Demonstranten zündeten Böller, ein Mann trat auf das Grundstück von Antje Grothus und schlug mit der flachen Hand gegen das Küchenfenster.

Ein absolutes No-Go, findet der erste Vorsitzende der regionalen Energie- und Klimaschutzagentur Braunschweig e.V., Heiko Hilmer. Trotz aller Job-Sorgen müsse der Protest angemessen bleiben, schließlich blieben auch die Umweltschützer auf angemeldeten Veranstaltungen überwiegend friedlich. „Der kleine Anteil von gesetzeswidrigen Aktionisten ist keine Rechtfertigung für die Bedrohung und Diffamierung von Frau Grothus – das geht in Richtung Selbst-/Lünchjustiz oder mindestens ist es Einschüchterung und ein Versuch die freie Meinungsäußerung zu verhindern. Natürlich dürfen auch RWE-Mitarbeiter ihre Meinung äußern, aber wer jahrelang auf Kosten von Naturzerstörung, Luftbelastung und dem Heimatverlust Vertriebener sein Geld verdient, hat nicht mehr Rechte als die geschädigte und durch viel zu hohe Strompreise ausgebeutete Bevölkerung! (Die Strompreise sind nicht wegen den Erneuerbaren Energien so gestiegen, sondern wegen Gewinnmaximierung und Gier)“, so Hilmer.

 

Gefährdet der Kohleausstieg wirklich „hunderttausende“ Jobs?

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) schreibt in ihrem Aufruftext, dass eine „einseitige Klimapolitik“ „hunderttausende“ Jobs gefährden würde. Im Auftrag des Braunkohleverbands lies das Institut der Deutschen Wirtschaft eine Studie erstellen, die ergab, dass insgesamt 72.000 Arbeitsplätze durch den Kohleausstieg gefährdet wären. Diese Berechnung ist allerdings umstritten. Denn berücksichtigt wurde nicht, dass infolge eines Kohleausstiegs zwangsläufig andere Formen der Stromerzeugung, also Wind-, Gas- und Solarkraftwerke sowie Speicher – zunehmen müssen, was zu neuen Arbeitsplätzen führen würde.

Auch die Annahme, dass ehemalige RWE-Mitarbeiter in Zukunft keinerlei Konsumausgaben mehr tätigen werden, erscheint realitätsfremd. Und die Arbeitsplätze, die man auch nach dem Ende der Kohleverstromung noch über Jahrzehnte für die Renaturierung der Tagebaue benötigt, werden ebenfalls komplett ignoriert.

Zudem kommt das Freiburger Öko-Institut in einer Analyse für das Umweltbundesamt zu dem Schluss, dass auch ein schneller Kohleausstieg, wie er zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele erforderlich wäre, weitgehend ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen könnte. Der Grund dafür: Fast zwei Drittel der Beschäftigten in den Tagebauen werden bis zum Jahr 2030 ohnehin in den Ruhestand gehen.

 

Gefährdet der Kohleausstieg tatsächlich die Versorgungssicherheit?

Ein weiteres Argument, das gerne gegen einen schnellen Kohleausstieg vorgebracht wird, ist die Vorsorgesicherheit. Man befürchtet, dass wenn Atom- und Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, es nicht mehr genügend Strom gäbe, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Mehrere Studien verschiedener Forschungsinstitute kommen jedoch zu dem Schluss, dass ein Kohleausstieg bis 2035 möglich ist, sofern neben einer Flexibilisierung vorhandener Biomassekraftwerke und dem Bau von Speichern – voraussichtlich auch neue Gaskraftwerke gebaut werden. Diese produzieren jedoch nur etwa ein Drittel an CO2 im Gegensatz zu Braun- oder Steinkohlekraftwerken. Zudem sind sie flexibler und können gezielt zugeschaltet werden, wenn sie gebraucht werden. Das fossile Erdgas könnte außerdem langfristig durch Gas ersetzt werden, das synthetisch aus Ökostrom erzeugt wird.

Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist somit problemlos und schnell machbar. Doch die Regierung und RWE halten immer noch hartnäckig an der Kohle fest. Offenbar verfügen sie über eine ausgeprägte „Fähigkeit“ zur Verdrängung und Verleugnung des eigenen Handelns.

 

Die Kohlekommission sucht nach Lösungen

Derzeit tagt die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, um bis zum Jahresende im Auftrag der Bundesregierung einen Vorschlag für einen Kohleausstieg zu erarbeiten. Dieser soll die gesteckten Klimaziele erreichen, sozialverträglich sein und verhindern, dass bestimmte Regionen durch Arbeitslosigkeit besonders schwer getroffen werden. Nach Angaben des Sachverständigenrates der Bundesregierung und anderer Studien kann Deutschland seine Klimaziele nur durch einen zügigen Kohleausstieg erreichen.

 

Was können wir tun?

Wir können die erreichten Etappenziele jetzt wieder im Sande verlaufen lassen, uns geschlagen geben und den immer gleichen Sätzen frönen, dass die Welt ja sowieso nicht mehr zu retten sei und jeder zusehen solle, dass er wenigstens den eigenen Hintern rette, solange es eben noch ginge. Doch wollen wir wirklich dieses düstere Bild weiterleben und ohnmächtig zusehen was mit der Welt geschieht, die auch uns gehört? Nein! Jeder hat Macht und jeder kann etwas tun! Leben ist Bewegung, Stillstand ist Tod. Deshalb müssen wir uns alle in Bewegung setzen und uns gemeinsam für den Erhalt der Natur einsetzen. Unsere Generation hat einen Auftrag: „Endlich ehrlich über einen Systemwechsel nachzudenken und uns für eine effektive Klimapolitik einzusetzen!“

Werde aktiv!

Unterstütze zum Beispiel die Aktivisten vor Ort oder werde selbst zum Aktivist. Informationen findest du auf Aktion Unterholz und Hambacherforst.org. Auf Kohlekommission.org kannst du dich über den nötigen Kohleausstieg informieren und Petitionen zum Kohleausstieg und einen Appell zur Rettung des Hambacher Waldes unterzeichnen.


Kohle stoppen! Klimaschutz JETZT!

Am Samstag, den 01. Dezember 2018 um 12.00 Uhr findet in Berlin und Köln eine Klima-Doppel-Demo statt.
Worum geht es? Während die Welt über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens verhandelt, entscheidet sich in Berlin, ob Deutschland seine Versprechen wahr macht – und schnell aus der Kohle aussteigt. Die Zeit drängt: Das hat uns der Hitzesommer 2018 erneut bewusst gemacht. Doch die Große Koalition versagt beim Klimaschutz:

  • Das Klimaschutzziel 2020? Aufgegeben.
  • Der Ausbau der Erneuerbaren Energien? Ausgebremst.
  • Der Ausstieg aus der Kohle? Aufgeschoben.

Das wollen und werden wir ändern und fordern: Kohle stoppen – Klimaschutz jetzt!

  • Köln: 01.12.2018, 12 Uhr, Deutzer Werft
  • Berlin: 01.12.2018, 12 Uhr, Kanzleramt

Infos unter: Klima-Kohle-Demo.de


Klimaschutz-Mahnwache in Braunschweig

Jeden Samstag findet in der Braunschweiger Innenstadt eine Klimaschutzmahnwache statt. Initiiert wird diese privat von Kerstin Büsching, die angespornt von den Vorgängen um Hambach, regelmäßige Mahnwachen plant, mindestens so lange die Kohle-Kommission tagt.
Die reka unterstützt Kerstin nach Kräften – und wir werden versuchen ein regionales Klimabündnis auf die Beine zu stellen!

Wann und wo:

  • 17.11.2018, 11.30 Uhr – 16.00 Uhr, Ringerbrunnen, Braunschweig. (Verlängert zur Mobilisation für die Demo am 01.12. in Berlin/Köln.)
  • 24.11.2018, 11.30 Uhr – 16.00 Uhr, Kohlmarkt, Braunschweig. Standplatz B (ebenfalls verlängert zur Mobilisation für die Demo am 01.12.)
  • 01.12. entfällt wegen Demo in Berlin/ Köln.

Die Standplätze für Dezember werden noch bekannt gegeben.


Kohlekommission – wir sehen dich!

Mit einer Unterschriftenaktion fordern wir Bundeskanzlerin Merkel, die Bundesregierung, sowie die Kohlekommission zum Kohleausstieg bis 2025 auf.

Die Unterschriftenliste wird an die Bundesregierung und in Kopie an ausgewählte Mitglieder der „Kohlekommission“ geschickt. Kommt ins BürgerBeratungsZentrum oder auf Veranstaltungen von uns vorbei und setzt eure Unterschrift auf die Liste!

Oder macht ein Foto, bei dem ihr mit Zeige- und Mittelfinger auf die eigenen Augen zeigt und mailt es an Stanislaw Tillich (CDU): wahlkreisbuero@tillich-stanislaw.de oder der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag: fraktion@cducsu.de mit folgendem Text:


Betreff:

„Kohlekommission wir sehen Dich!“

Text:
Sehr geehrter Vorsitzender der „Kohlekommission“, sehr geehrter Herr Tillich,

hören Sie auf unsere Zukunft zu verbrennen! Ein konsequenter Atom- und Kohleausstieg fördert Innovationen, schafft Arbeitsplätze, ist sozialverträglich und gerecht, sorgt für Frieden und eine sauberere Umwelt – so verbessert man das Klima!

Zeigen Sie Mut und Weitblick, unterstützen Sie bitte den Kohleausstieg bis 2025! Der dadurch ausgelöste Innovationsschub und Unternehmergeist wird in Deutschland mehr Arbeitsplätze schaffen als durch die Energiewende verloren gehen. Erneuerbare Energien sind nicht aufzuhalten, weil die breite Mehrheit in allen politischen Lagern die Vorteile erkannt hat und bereits viele Menschen neue Arbeitsplätze gefunden haben bzw. hatten, bevor der Ausbau unverantwortlich ausgebremst wurde. Erneuerbare Energien sind die einzige bezahlbare Energieform der Zukunft (eigentlich schon heute!), die heute schon bekannt, massentauglich, friedlich und umweltfreundlich ist.

Mit sonnigen Grüßen 

[Dein Name]